Lehre mich, Herr! - Ivo Sasek - Elaion-Verlag

58 sah, dass der zweite Schmetterling noch immer mit seiner Hülle rang, erbarmte er sich über dieses Tierlein. So ging er hin, holte ein scharfes Messer und begann mit aller Sorgfalt den hinderlichen Kokon aufzuschneiden. Und siehe da, ohne den Schmetterling zu verletzen, konnte er ihn aus seinem Ge- fängnis befreien. Als das Tierlein jedoch seine Flügel fertig getrocknet hatte und sich instinktiv emporschwingen wollte, gelang es ihm nicht. Es stellte sich nämlich heraus, dass seine Flügel lahm waren. Das Erbarmen des Menschen brachte den Schmetterling um eine lebenswichtige Übung: Durch das Anstemmen der Flügel gegen die Puppenhülle hätten eben auf natürlichem Weg seine Flugmuskeln gebildet werden sollen. Dass jener Schmetterling länger als der andere in seinem „Gefängnis“ ausharren musste, war lediglich ein Zeichen da- für, dass er noch nicht flugtüchtig war, weil ihm noch einige „Trainingsstunden“ fehlten. Zwar machte der „Helfer“ mit sei- nem Messer letztlich nichts anderes, als was im Schöpfungs- plan ohnehin vorgesehen war. Und doch fehlte das Wesent- liche: der vorherbereitete Zeitpunkt Gottes! Ausgerechnet die fehlenden Stunden des Ausharrens, des Kämpfens und Leidens kosteten dem Schmetterling darum letztlich das Leben. In gleicher Weise können wir uns mit unzeitiger „Seelsorge“ die geistliche Existenz- und „Flugfähigkeit“ zerstören. Das Ausharren vor Gott ist eine der lebenswichtigsten Übungen, wenngleich es auch ein unangenehmes Leiden ist! Mensch- liche Barmherzigkeit hat diesbezüglich schon viel zerstört. Wenn wir den Rat Gottes vor der Zeit an uns reissen, bevor also die von Gott zugelassene Not ihr heilsames Werk der Flügelstärkung an uns hat vollenden können, nützt uns dieser Rat letztlich nichts. Er mag dann noch so trefflich die Lösung

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