Helden Sterben Anders - Ivo Sasek - Elaion-Verlag
321 tropften auf die Stirn des toten Bannerträgers. Der Waffenträger nahm das Horn des Toten und stiess mit neuer Kraft hinein: „Wir haben gewonnen!“ Schluchzen kam von der Mitte des Schlachtfeldes. Dany fühlte plötzlich alle seine Wunden. Das Schluchzen nahm zu. Er hob den Kopf, stöhnte, quälte sich auf die Knie und blickte hinüber. Ein Dutzend Männer standen weinend um einen Toten. Dany kroch auf allen Vieren in ihre Richtung. Gottlieb half ihm auf die Beine. Nun war Danys Blick frei. Was seine Augen sahen, wür- de er niemals wieder vergessen. Von allen Seiten humpelten und quälten sich die Überlebenden zu einer wachsenden Gruppe von Männern hin, die im Halbkreis um einen Toten standen, einen Mann mit einem Dutzend Lan- zen in Brust und Bauch, sein bester Freund. Einige weinten leise, manche schluchzten vernehmlich, wie sie auf Arnold Winkelried herabblickten, der unberührt von Schlamm und Morast, mit vollkommen friedlichen Gesichtszü- gen auf einer Grasnarbe lag. Selbst im Tode umfasste er die Lan- zen, als wollte er noch immer seine Brüder vor ihnen schützen. Dany fühlte sich, als hätte er die Speere im Leib, nicht der ge- liebte Freund und Blutsbruder. Nun brachen sich die Gefühle Bahn – es zerriss ihm das Herz. Die Verwundeten halfen einander, um sich der Versammlung anzuschliessen. Wer noch bei Kräften war, trug mit, zog mit, um auch die Verletzten herbeizuschaffen. Alle lagerten sich in weitem Rund um die Gruppe von Männern, die bei Arnold standen. Wasserschläuche wurden herumgereicht, bis es wieder ganz, ganz still war. Danys Schluchzen liess allmählich nach. Niemand sprach ein Wort. Irgendwann, nach langem, langem Schweigen, wieder- holte Gottlieb seinen Satz: „Wir haben gewonnen!“, leise, zag- haft, so gar nicht wie ein Sieger.
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